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„Winterliche Ruhezeit“
steht für Dezember und Januar im Phänologischen Jahreskalender.Zitronenfalter

Griechisch – Phainein, bedeutet „sichtbar machen“. Man meint damit die Lehre der Erscheinungen, wie und vor allem wann sich Pflanzen und Tiere im Lauf der Jahreszeiten zeigen und entwickeln. Dass nicht in jedem Kalenderjahr an einem bestimmten Tag immer dasselbe Wetter herrscht wird jedem klar, wenn er sich nur an seine eigenen Geburtstage erinnert. Auch die Überlieferung von Bauernregeln zeigt die Bedeutung von Naturereignissen und ihre Beobachtung für die Landwirtschaft und den Garten. Dies erfordert zunächst Aufmerksamkeit dafür, dass sich etwas verändert, wie z.B. Temperatur, Blüten, Knospenschwellen, Fell-Wechsel von Tieren, das Sichten eines bestimmten Schmetterlings oder Vogels.
Letztlich wollen wir anhand der Beobachtungen ja sogar Prognosen erstellen, wie der weitere Verlauf der Jahreszeiten und des Wetters an einem bestimmten Ort ist, denn der Mensch möchte ja planen können: fahre ich an Ostern lieber in den Süden oder schmelzen die versteckten Osterhasen sogar im oberschwäbischen Garten? Fällt der Tanz in den Mai buchstäblich ins Wasser oder kann das Freibad schon am 1. Mai seine Pforten öffnen?

Für Gartenbesitzer sind natürlich andere Entscheidungen wichtig: wann schneide ich meine Sträucher und Rosen? Wann säe und pikiere ich die Gemüse-Pflänzchen und Blumen? Wann kann ich meinen Rasen einsäen? Darauf gibt es keine einfachen Antworten mit einem allgemeingültigen Datum. Aber aus den Beobachtungen, ein wenig Wissen und viel Erfahrung bekommt man ein Gefühl dafür, wann die Zeit reif für bestimmte Tätigkeiten ist. 

Die sicheren Zeiger des sogenannten Vor-Frühlings im Garten - in etwa ab Mitte Februar - sind blühende Schneeglöckchen und Krokusse, Haselnuss und Sal-Weide, aber auch Zaubernuss und Winterschneeball. Ein tierischer Bote wacht zu der Zeit ebenfalls langsam aus seiner Winterstarre auf: Zitronenfalter überwintern als erwachsener Schmetterling sogar ohne Unterschlupf unter Blättern im Garten. Deshalb ist er alsbald zu entdecken, wenn Sonnenstrahlen über Tage hinweg ihre wärmende Wirkung entfalten. Der Erst-Frühling herrscht dann, wenn Forsythien und Schlüsselblumen blühen und die Wiesen langsam wieder saftig grün erscheinen. Blühende Edel-Flieder , Löwenzahn und Apfelbäume kündigen dann den Voll-Frühling an.
Die Phänologie beschreibt übrigens 10 Jahreszeiten, die sich in der Anzahl von Tagen über die bekannten 12 Monate hinweg  unterschiedlich verteilen. Bis 1990 zählte der Winter noch 120 Tage und endete Anfang März. Die Beobachtungen seither zeigten aber deutliche Veränderungen, so dass der Vorfrühling heute mehr als 2 Wochen früher beginnt und heutzutage auch länger andauert…

Damit wären wir mal wieder beim Thema Klimawandel angekommen, dem Wort, das wahrscheinlich die meisten nicht mehr hören können. Geschuldet ist dies aber vermutlich mehr der Art, wie Dinge verbreitet, bewertet, diskutiert, ignoriert, politisiert,… werden und ob, wie und wann den vielen Worten dann auch wirklich sinnvolle Taten folgen. Am allerdringendsten müssen wir aufhören, in Schubladen und Fronten zu denken oder einander zu beschimpfen!

Die Veränderungen bei Wetter, Klima, Pflanzen und Tiere sind dennoch zu beobachten, zu spüren und nicht wegzudiskutieren. Ganz eklatant fiel  jüngst wieder auf, wie alt manche Mahnungen und Warnungen eigentlich schon sind: die aktuelle Auflage eines Gartenratgebers beginnt so: „ Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass unsere Umwelt … aufs Äußerste bedroht ist. …“. Hier wurde als Vorwort bewusst der Originaltext der Erstausgabe von 1982 verwendet! Auch das bekannte Lied „Mein Freund der Baum ist tot“ von Alexandra aus dem Jahr 1968 erzählt nicht nur wehmütig von einem Baum, der morsch und altershalber das Zeitliche segnet: „ … bald wächst ein Haus aus Glas und Stein dort wo man ihn hat abgeschlagen. Bald werden graue Mauern ragen dort wo er liegt im Sonnenschein…“. Es möge sich ein Jeder und Jede auch dazu seine Gedanken und guten Vorsätze fürs neue Jahr machen.

In diesem Sinne wünschen wir für 2023 allseits eine erholsame Winterruhe, Geduld für ihre eigenen Natur-Beobachtungen, auf dass uns diese Faszination wieder erreicht, miteinander in schöpferische Gespräche bringt, Respekt vor allem Leben lehrt und sich der Mensch in gesunder Tatkraft einreiht in die riesige Mannschaft der Geschöpfe, die im Garten arbeiten - bis hin zu den winzigsten in einem Humuskrümel!